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AFRICATIME .COM / GUINÉE



TIRMIZIOU DIALLO, Mitglied des CNT: 

„Von Auslandsguineern zu sprechen, ist eine Diskriminierung, die abgeschafft werden sollte.“

(Africa Guinee 25/03/2010)


Drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen in Guinea sind die Mitglieder des Nationalrates für den Übergang (CNT) damit beschäftigt, eine neue Verfassung für das Land auszuarbeiten. Herr Tirmiziou Diallo, der aus Deutschland gekommen ist, um im CNT mitzuarbeiten, entwirft uns seine Vision von Guinea. Für ihn hat Deutschland Vorbildcharakter für Guinea.


AFRICAGUINEE.COM: Guten Tag, Herr Diallo! Sie sind nach Guinea zurückgekehrt. Sie sind Mitglied des CNT. Ihr Ursprungsland hat Sie gerufen, um mit Ihrer Hilfe die politische Pattsituation zu überwinden. Wie sind Ihre Gefühle?

TIRMIZIOU DIALLO: Ich möchte zunächst aufrichtig und von ganzem Herzen denen danken, die bei der Berufung der Mitglieder des CNT an die Diaspora gedacht haben. Das ist ein Zeichen besonderer Aufmerksamkeit. Der Diaspora zu erlauben, ihre Erfahrungen an ihr Vaterland weiterzugeben, ist eine ausgezeichnete Idee. Die Guineer haben verstanden, dass unser Land seine Diaspora braucht. Damit bin ich sehr zufrieden. Ich bin Delegierter der Guineer in Deutschland. Das ist eine große Ehre, die mir zu Teil wurde. Alle Guineer in Deutschland fühlen sich mit mir geehrt. Ich werde meine Erfahrungen dem Land zur Verfügung stellen, damit positive Ergebnisse für die Zukunft Guineas erreicht werden können.


FRAGE: Dem CNT bleiben weniger als drei Monate Zeit, um das Grundgesetz zu überarbeiten. Ist das Ihrer Meinung nach ausreichend, um eine gute Verfassung einzusetzen und unser Land endgültig aus der Krise zu führen?

DIALLO: Durch meine Erfahrungen und mein Wissen um die Geschichte Europas und im Besonderen Deutschlands, das nach dem Zweiten Weltkrieg eine ähnliche Situation durchgemacht hat, bin ich über diesen Zeitdruck etwas beunruhigt. Zu dieser Zeit musste Deutschland ebenfalls alles in Ordnung bringen und sich eine neue Verfassung geben. Ich habe die Ehre, ein Schüler eines der Verfassungsväter gewesen zu sein. Diese Verfassung wurde ausgearbeitet von Politikern, Soziologen, Historikern und Juristen. Und ich kann Ihnen versichern, diese deutsche Verfassung ist eine der besten der Welt. Es wäre sicher positiv, wenn wir uns, was die Verfassung von Guinea betrifft, davon inspirieren ließen. Das ist eine Verfassung, die unter anderem nicht nur ein Gleichgewicht zwischen der Macht und den politischen Instanzen geschaffen hat, sondern auch den regionalen und kulturellen Unterschieden Rechnung getragen hat. Aber ich bin nicht gekommen, etwas durchzusetzen - was auch immer. Guinea ist sehr reich, es setzt sich aus verschiedenen Völkern und Kulturen zusammen. Wir müssen uns dieses immensen Reichtums bedienen, um eine solide Einheit, basierend auf dieser Unterschiedlichkeit aufzubauen. Unsere Verfassung sollte dieser Unterschiedlichkeit Rechnung tragen. Es ist bedauerlich, dass ein so reiches Land wie Guinea gezwungen ist, Lebensmittel zu importieren. Wenn wir z.B. der guineeischen Diaspora die Möglichkeit geben, sich in Guinea zu engagieren, könnten wir bestimmte Ernährungsmängel sicher ausgleichen.


FRAGE: Insgesamt sind 12 Auslandsguineer in den CNT berufen worden. Was kann man von dieser Diaspora erwarten?

DIALLO: Von „Auslandsguineern“ zu sprechen, ist eine Diskriminierung. Sie hören niemals von Auslandsfranzosen oder Auslandsdeutschen reden. Nur in Afrika benutzt man solche Ausdrücke. Dieses Konzept ist nicht nur diskriminierend, sondern hat auch die Tendenz, eine Spaltung auszudrücken. Diese Diskriminierung existiert augenscheinlich nur in Afrika. In der Diaspora leben viele bewusste, qualifizierte Menschen, die wirkungsvoll zur Entwicklung Guineas beitragen könnten. Wir haben talentierte Leute mit international anerkannten Fähigkeiten, denen man aber nicht die Gelegenheit gibt, in ihr Ursprungsland zu investieren. Alle die großen Intellektuellen, die wir in Europa, Asien, Amerika und anderswo haben, haben viel zum Wohl unseres Landes beizutragen, sei es auf der politischen oder wirtschaftlichen Ebene. Ein gut Teil der Diaspora träumt davon, in Guinea zu investieren. Es ist klar, dass ein gut Teil der Diaspora, der lange in entwickelten und wirklich demokratischen Ländern gelebt hat, enorme Erfahrungen an sein Land weiterzugeben hat, um die Dinge radikal und positiv zu verändern.


FRAGE: Sie leben seit über fünfzig Jahren in Deutschland. Es ist ein großes, entwickeltes und wirklich demokratisches Land. Welche konkreten Erfahrungen aus diesem Land können Sie heute an Ihr Vaterland Guinea weitergeben?

DIALLO: Ja, In der Tat können wir viel von Deutschland lernen, wie auch von anderen Ländern. In dem gegenwärtigen Fall, was den Auftrag des CNT betrifft, könnten wir uns inspirieren lassen von einem politischen System, das am weitesten ausgearbeitet und ausgeglichen ist, dem Deutschlands. Deutschland ist eines der demokratischsten Länder der Welt. Was ich sehr faszinierend am politischen System Deutschlands finde, ist die föderative Struktur, die Teilung und Kontrolle der Macht. Es sind Aspekte, die dem traditionellen politischen System Afrikas nicht fremd sind. Es wäre weise, wenn sich Guinea vom demokratischen System Deutschlands oder anderer Länder inspirieren ließe. Heute haben wir keine Staatsstrukturen. Dennoch sind es die Strukturen, die die Stärke eines Staates ausmachen. Zum Beispiel in Deutschland, da gibt es den Präsidenten, dessen Funktion repräsentativer Art ist, es gibt den Kanzler (Regierungschef), der durch das Parlament gewählt ist. In jedem Bundesland gibt es einen Ministerpräsidenten. Diese Ministerpräsidenten stehen einer Kammer vor, um die zentrale Macht zu kontrollieren. Die Richter des Obersten Gerichtshofes bilden die höchste Instanz. Sie sind der Garant für die Verfassung.


FRAGE: Denken Sie, das kann auch heute in Guinea funktionieren, zum Beispiel ein gewählter Premierminister mit gleichem Recht wie der Präsident?

DIALLO: Warum nicht? Wenn der Präsident alle Macht ausübt, wie zur Zeit in Guinea, kann man nicht von Demokratie reden. Ein demokratisches System erfordert eine Kontrolle und Teilung der Macht.


FRAGE: Wird die Ausarbeitung einer guten Verfassung die Lösung aller Probleme von Guinea sein?

DIALLO: Selbst wenn wir die am besten ausgearbeitete Verfassung der Welt zu Papier bringen, wenn sie nicht strikt angewandt wird, sind es tote Buchstaben. Wenn die Leute nicht fähig oder gewillt sind, den geschriebenen Text auch zu leben, wird es eine tote Schrift sein. Einer der Hauptgaranten der Verfassung ist der Bürger. Aber bei uns ist der Bürgersinn noch nicht entwickelt. Wie der große Historiker Barry Boubacar bemerkte: „In Afrika haben wir Wähler, aber durchaus keine Bürger.“ Das größte Defizit unseres Landes besteht in der Bildung. Das Kind wächst an und mit dem, was es im frühen Alter gelernt hat. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, eine kompetente Jugend heranzubilden. Die Zukunft gehört der Jugend. Deshalb müssen wir in ihre Bildung investieren. Wir können die beste Verfassung der Welt haben - wenn wir keine wahren Verantwortlichen haben, nützt alles nichts. Wir brauchen eine bewusste Elite. Eine Elite, die auch dazu fähig ist, sich mit den Anforderungen der Außenwelt auseinanderzusetzten. Kompetente Leute auf dem internationalen Parkett.


FRAGE: Haben Sie politische Ambitionen?

DIALLO: Ich habe keinerlei politische Ambitionen. Ich vertrete keine politische Partei. Meine Partei ist Guinea. Ich bin in der Lage, sehr unparteiisch zu sein, im obersten Interesse Guineas. 


FRAGE: Seit 2006 sind alle kritischen Äußerungen gegen das Regime blutig unterdrückt worden, mit mehreren Hunderten von Toten und Tausenden von Verwundeten. Wie können Ihrer Meinung nach solche Taten in Zukunft vermieden werden?

DIALLO: Alle diese Opfer müssen wir als Helden betrachten. Diese Opfer fordern unseren Respekt und unsere Verantwortung. Indem wir eine solide Verfassung bilden, indem wir die Rolle der verschiedenen staatlichen Institutionen, Regierung, Justiz, Armee definieren, erlauben uns diese Maßnahmen, aus dieser Sackgasse herauszukommen und eine Gesellschaft aufzubauen, die die Rechte der Menschen respektiert und die fähig ist, die Entwicklung des Individuums zu fördern, den sozialen und kulturellen Fortschritt, sowie die ökonomische Entwicklung.


FRAGE: Haben Sie eine letzte Botschaft für die Leser?

DIALLO: Wir müssen uns alle anstrengen, dass die Institutionen, die auf Grund der Verträge von Ouagadougou vom 15.01.2010 hervorgegangen sind, ihren Auftrag erfüllen können, unter den besten Bedingungen für das Wohl aller Völker, die in Guinea zusammen leben.



Interview durch Abdourahamane Bakayoko

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